Seit gut 20 Jahren verfolge ich digitale Lerntrends und manage Projekte oder berate Organisationen. Durch die Corona-Pandemie wird die Digitalisierung einen weiteren Sprung nach vorne machen. Auch Non-Profit-Organisationen werden davon betroffen sein. Das gaben 304 Umfrage-Teilnehmer*innen aus NPOs nach eigener Einschätzung an:

Grafik Digital Report 2020
(Quelle: Digital Report 2020 – Haus des Stiftens gGmbH)

Die Zahlen geben nur ein Stimmungsbild wieder. Aber haben wir uns nicht schon längst an Online-Meetings mehr gewöhnt als erwartet? Die Veränderung kann schnell gehen, wenn sie muss. Das sehen wir gerade sehr gut.

Viele Herausforderungen meistern wir am besten durch Lernen. Es ist also absehbar, dass Lernen zu einer Schlüsselkompetenz in unserer neuen VUCA-Welt wird.
VUCA steht für:
Volatilität (Volatility) = zunehmende Geschwindigkeit von Veränderungen 
Ungewissheit (Uncertainty) = geringe Vorhersagbarkeit von Ereignissen  
Komplexität (Complexity) = steigende Zahl von Vernetzungen/Abhängigkeiten 
Ambiguität (Ambiguity) = Mehrdeutigkeit, z. B. von Informationen und Rahmenbedingungen

Das Lernen am Arbeitsplatz wird schon seit Jahren digitaler. Mein Weg begann in der 2. Hälfte der 90iger mit innovativen Projekten für Lernprogramme auf CD-ROM. Digitales Lernen eröffnete dann mehr und mehr die Möglichkeit, sich flexibler und individueller fortzubilden. Vorausgesetzt die Rahmenbedingungen stimmten.

Fragen, um die Rahmenbedingungen zum Aufbau lernender Organisationen zu justieren, sind:

  • Wie möchten wir unsere Zukunft als Organisation gestalten?
  • Was sind die (Lern-)Ziele unserer Organisation?
  • Was benötigen unsere Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder?
  • Welche Problemstellungen müssen wir in der Zukunft angehen?
  • Welche Kompetenzen brauchen wir demnächst?
  • Wer könnte ggf. umgeschult werden?
  • Wo möchten sich die Mitarbeiter hin entwickeln?
  • Wo und wann kann gelernt werden?
  • Welche Geräte und Tools stehen zur Verfügung?

Lern- und Organisationsentwicklung laufen oft parallel. In dem Prozess sind u. a. verschiedene Lernebenen miteinander zu verknüpfen, die unterschiedliche Anforderungen haben:

  • Lernen des Einzelnen
  • Lernen in Teams
  • Lernen von Organisation und Umfeld

Das erworbene Wissen sollte gespeichert, verteilt und von allen angewendet werden können. Die Möglichkeiten und Lernanlässe zu schaffen ist eine Führungsaufgabe. Setting und Rahmenbedingungen werden idealerweise gemeinsam erarbeitet und auf die Geschäftsziele ausgerichtet. So entwickelt sich ein organisationaler Wissenskreislauf, indem kontinuierlich Wissen fließt und Know-how entsteht. Das bedeutet für den Gestaltungsprozess, dass das komplette Lern-Ökosystem einer Organisation berücksichtigt werden muss.

Zur Bedarfsermittlung wird unter anderem das formale und das informelle Lernen unterschieden. Informelles Lernen beschreibt das Lernen außerhalb formaler Strukturen wie sie z. B. bei Aus- und Weiterbildungen mit Abschlüssen üblich sind. In unserem Arbeitsalltag ergänzen sich formales und informelles Lernen, wobei letzteres einen sehr viel größeren Anteil hat. In Lernszenarien wie z. B. dem Blended Learning können sie miteinander verknüpft werden. Wichtig ist, dass Werkzeuge und Methoden auf die Lernbedarfe und -inhalte abgestimmt sind. Moderne Learning Experience Plattformen unterstützen die Einbindung verschiedenster Formate sowie Zusammenarbeit und soziales Lernen.

In den letzten Jahrzehnten sind viele digitale Werkzeuge entstanden, die das Lern- und Wissensmanagement auf allen Lernebenen unterstützen. Hier die Top 200 Lerntools, die 2020 ausgewählt wurden:


Grafik mit Top 200 Tools zum Lernen 2020
(Quelle: Jane Hart, TopTools4Learning.com)

Lernen, Innovation und Digitalisierung bilden ein Trio, das für alle Organisationen relevant ist, um zukunftsfähig zu sein. Die zunehmend vernetzte und computerisierte Welt benötigt neue Kompetenzen. In der Digitalisierung schlummern viele Potentiale, die wir für die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft erschließen können. Es gibt schon etliche digitale Geschäftsmodelle im Gesundheitsbereich (E-Health), z. B. durch die Anwendung von Virtual Reality. Andere Möglichkeiten sind erst angedacht wie die Nutzung der Blockchain-Technologie, z. B. zur Wahrung von Menschenrechten und Umweltschutz (www.circulartree.com) oder der Einsatz von künstlicher Intelligenz, z. B. zur Bekämpfung des Bienensterbens (www.apic.ai).

Bild von Forscher*innen an Bienenstöcken

(Bildquelle: Google www.apic.ai/agroscience.html)

Stand heute gibt es jedoch erst vereinzelt NPOs mit digitalen Geschäftsmodellen. Die meisten nutzen zwar bereits digitale Werkzeuge, um die eigene Arbeit zu erleichtern, aber schon weniger, um die eigene soziale Wirkung zu erhöhen. Nur knapp 15% bieten ihren Zielgruppen ein digitales Angebot.

Natürlich führt Lern- und Wissensmanagement nicht automatisch zu einem digitalen Geschäftsmodell. Das soll auch nicht als generelles Ziel pauschaliert werden. Wenn die Veränderungsprozesse aber bedarfsorientiert ausgerichtet und gemeinsam getragen sind, stellen sich Kompetenzaufbau, Teambildung und Innovation häufig von selbst ein.

Zu einer kreativen Lern- und Innovationskultur können auch neue Lernmethoden wie agiles Lernen, New Learning oder das Lernen in Netzwerken beitragen. Eine kurze Einordnung:

Agile Lernprozesse zeichnen sich durch kurze, klar strukturierte Abläufe bei gleichzeitiger Flexibilisierung und Individualisierung der Inhalte aus. Zielorientierung, Kollaboration, Selbststeuerung und Dynamik prägen diesen Ansatz. Im weiteren Sinne bedarf agiles Lernen eines passenden Mindsets …“ (Graf und Schmitz 2019)

New Learning basiert auf Frithjof Bergmanns New-Work-Konzept und hat die Selbst- und Potenzialentfaltung des Individuums zum Ziel. New Learning bezeichnet Lernprozesse, die vom Lernenden als sinnhaft erlebt werden und die Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglichen. Die Lernprozesse sind geprägt von Selbstbestimmung, Autonomie und dem Streben nach Wirksamkeit.“ (Graf und Schmitz 2019)

Die VUCA-Welt ist eine Welt von Netzwerken, die wir bewusst aussuchen, zum Lernen erschließen und pflegen können. Methoden sind z. B. Working Out Loud oder Barcamps.

Eine erprobte Vorgehensweise, die zu neuem Lernen und digitaler Transformation führt, ist auch die Einrichtung von Labs bzw. Lern- und Experimentierräumen, in deren geschützter Umgebung kreative Freiwillige erste Erfahrungen sammeln, die sie dann an andere weitergeben.

Durch meine Akkreditierung in den Programmen unternehmensWert: Mensch und uWM plus können neben kleinen und mittleren Unternehmen auch Non-Profit-Organisationen unter bestimmten Voraussetzungen stark geförderte Coachings beantragen. Die Programme unterstützen eine mitarbeiterorientierte Organisationskultur oder begleiten bei digitalen Transformationsprozessen.